Das Magazin „11 Freunde“ setzt in seiner aktuellen Ausgabe unter dem Motto „Ihr könnt auf uns zählen!“ ein Zeichen der Solidarität gegen Homophobie. Die Aktion soll dazu beitragen, dass sich
ein aktiver Fußballer trauen kann, sein Coming-Out zu haben. Wir sprachen mit Elisabeth Loger über Homosexualität und Diskriminierungen im Fußball. Die 33-Jährige ist Spielerin des SV Borussia
Leer und Borussia-Vorstandsmitglied.
Eli, Du spielst seit über zehn Jahren für Borussia. Aus Deiner Homosexualität hast Du dabei noch nie ein Geheimnis gemacht. Warum scheint Homosexualität bei Frauen im Fußball akzeptierter als bei
Männern?
Elisabeth Loger: Schwer zu sagen. Aber ich denke, dass das mit unterschiedlichen Attributen zu tun hat, die homosexuellen Frauen und Männern klischeehaft zugeschrieben werden. Lesben gelten laut
Vorurteil als stärker und robuster – also männlicher. Und diese Eigenschaften werden im Fußball als positiv angesehen. Wohingegen homosexuelle Männer den Vorurteilen zufolge als weich oder
weiblich gelten. Sie verkörpern also Eigenschaften, die in der konservativen Fußballwelt negativ besetzt sind. Wobei man dazu sagen muss, dass auch die vermeintlich positiven Attributen für
Frauen diskriminierend sind.
Inwiefern?
Weil auch das pure Vorurteile und Klischees sind. Eine lesbische Spielerin ist ja nicht automatisch zweikampfstärker als eine heterosexuelle. Das hängt ja schließlich von den individuellen
fußballerischen Qualitäten ab und nicht von der sexuellen Orientierung. Bei einer homosexuellen Spielerin schwingt dann auch immer schnell das Stigma der „Kampflesbe“ mit.
Was können Vereine machen, um homosexuellen Spieler*innen zu helfen?
Jeder Verein kann und sollte da Verantwortung übernehmen. Es geht einfach darum, ein Klima zu schaffen, in dem jede und jeder das Gefühl bekommt, dass er akzeptiert ist und
gleichberechtigt behandelt wird – egal, welche sexuelle Orientierung man hat oder woher man kommt. Und das sind viele Kleinigkeiten, die dabei mithelfen. Achtsamkeit ist ein wichtiges Stichwort.
Es sind oft schon kleine Dinge, die für Unwohlsein oder Unsicherheit bei den Betroffenen sorgen. Wenn am Spielfeldrand homophobe, rassistische oder sexistische Dinge gerufen werden, dann
erwarte ich, dass es entsprechenden Gegenwind gibt und Verantwortliche reagieren, um schon im Ansatz deutlich zu machen: Bei uns nicht! Vor allem früher kam es bei Auswärtsspielen öfter mal zu
Situationen, in den es vom Spielfeldrand frauenfeindliche Sprüche gab, wenn wir gespielt haben. Leider war es dann oft so, dass die Verantwortlichen der dortigen Vereine das runtergespielt haben.
„Der meint das ja nicht so“, hieß es dann oft nur. Solche Vorfälle schönzureden ist absolut kontraproduktiv. Es braucht eine klare Kante. Bei Borussia ist das so. Und das hilft dabei, ein Klima
zu schaffen, in dem alle Sportler*innen sich wohlfühlen. Bei Borussia ist es auch völlig normal, dass ich als homosexuelle Spielerin Vorstandsmitglied werden konnte. Es gibt aber auch Menschen
und Vereine, die die Notwendigkeiten noch nicht erkannt haben. Das fängt ja schon mit der Sprache an…
…in der „schwul“ auch mal als Schimpfwort benutzt wird…
Genau. Zum Beispiel, wenn Spieler über eine „schwule Flanke“ schimpfen, wenn die nicht gut genug war. Oder wenn ein Trainer sagt, dass seine Spieler wie „Schwule“ gespielt haben, weil es nicht
genug Zweikampfhärte gab. So werden wir niemals zu einem Klima kommen, in der sich ein Spieler outen wird. Das gehört zur zuvor genannten Achtsamkeit. Da muss auch jede und jeder sein eigenes
Handeln hinterfragen. Nur weil ich vielleicht selbst nicht betroffen bin, heißt das schließlich nicht, dass ich durch mein Handeln anderen das Leben nicht schwer mache – sei es auch
unbewusst.
Die Situation im Profifußball scheint für Homosexuelle noch schwieriger zu sein als im Amateurbereich…
Ja, denn im Profifußball ist längst eine Glitzerwelt entstanden, bei der Randgeschehnisse und Ereignisse neben dem Platz viel mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden als sportliche
Ereignisse. Ich kann verstehen, dass niemand riskieren möchte, dass sein komplettes Privatleben in den Boulevardmedien breitgetreten wird, wenn er sein Coming-Out hat.
Wie kann man homosexuellen Spielern trotzdem Mut zusprechen, damit sie sich outen?
Es gibt kein Patentrezept. Aktionen wie die aktuelle von 11 Freunde helfen auf jeden Fall weiter. Trotzdem bliebe der Druck auf einen einzelnen Spieler nach einem Coming-Out hoch. Vielleicht
könnte es helfen, wenn sich eine Gruppe mehrerer homosexueller Bundesliga-Profis auf einmal outet. Dann würde sich der Fokus nicht nur auf eine Person richten. Es wäre jedenfalls ein
entscheidender Durchbruch, der den Weg für alle anderen ebnen würde.
Du hast mal erklärt, dass Du so etwas wie ein gewisses Pflichtgefühl empfindest, den Menschen direkt mitteilen zu müssen, dass Du homosexuell bist…
Ja, das ist so. Und ich weiß, dass das vielen homosexuellen Menschen so geht. Wenn zum Beispiel eine neue Spielerin zu uns kommt, habe ich das Gefühl, dass ich mich nicht nur mit Namen vorstellen
muss. Stattdessen habe ich irgendein unbewusstes Pflichtgefühl sagen zu müssen: „Hey, ich bin Eli und ich bin homosexuell.“ Ich kann das gar nicht genau erklären. Aber irgendwie habe ich das
Gefühl, dass das sonst im Raum steht. Es könnte ja irgendjemand später sagen: „Warum hast Du das nicht gesagt?“ Dabei hat sich bisher noch nie jemand beschwert. Aber irgendwie habe ich
unterbewusst das Gefühl, dass ich in der Pflicht bin, das mitzuteilen. Dabei ist das natürlich Quatsch. Es käme ja auch keine Spielerin auf die Idee zu sagen: „Hey, ich bin Maike und ich bin
heterosexuell.“ Wir machen uns also über Dinge Sorgen, die selbstverständlich sein sollten. Und ich kann mir schon vorstellen, dass das manchen Menschen Druck macht – vor allem, wenn man seine
Homosexualität, zum Beispiel beim Fußball, verstecken muss.
Fußballmannschaften gelten oft als letzte Bastion der Männergemeinschaften mit eigenen Umgangsformen, in
der Homosexuelle vermutlich leicht zu Außenseitern werden könnten…
Das ist aus weiblicher Sicht schwer zu beurteilen. Innerhalb der Frauenteams konnten wir immer offen über unsere Homosexualität sprechen. Aber ich weiß aus vielen Gesprächen mit Spielern aus dem
Herrenfußball, dass es in vielen Teams diese typischen Männergemeinschaften noch gibt – inklusive klarer Hierarchien, in der zum Beispiel junge Spieler wenig zu melden haben. Es droht ein
andauernder Kampf für einen homosexuellen Fußballer, wenn er sich womöglich immer gegen die starken Rädelsführer behaupten müsste. Irgendein dummer Witz oder dummer Spruch würde vermutlich immer
gemacht werden. Obwohl wir auch in der gesellschaftlichen Akzeptanz inzwischen weit sind, bleiben immer noch zu viele Menschen mit diskriminierenden Vorbehalten. Anders ist es nicht zu erklären,
wenn ein Politiker wie Friedrich Merz Homosexualität in die Nähe von
Pädophilie rückt. Das macht mich traurig und wütend. Es fängt aber auch schon im Kleinen an. Als ich mit meiner Freundin auf Wohnungssuche war, war hier und dort deutlich zu spüren, dass man
nicht an Lesben vermieten möchte.
Als Borussia Leer das Engagement gegen Homophobie auch mit den Regenbogenfarben auf dem Trikot verdeutlichte, bekam der Verein dazu unterschiedlichste Rückmeldungen. Die meisten waren positiv. Es
gab aber auch andere. In einer Nachricht schrieb ein Verantwortlicher eines ostfriesischen Vereins: „Seid Ihr jetzt ein Schwulenverein, oder was?“